Ganzheitliches Training: Stärkung von Körper und Geist

Von Nemanja Vasiljevic
Ganzheitliches Training: Stärkung von Körper und Geist

Inhaltsverzeichnis

Viele Sportler gelten nicht unbedingt als helle Kerzen. Der selbstverliebte Bodybuilder, der seinen Körper sinnlos aufbläst oder der Fußballer, der abseits des Spielfelds keinen geraden Satz zustande bekommt. Es scheint, als fehle diesen Menschen ein ganzheitliches Training, dass nicht nur Körper, sondern auch den Geist trainiert.

Dabei ist die Studienlage eigentlich klar: Sport hat positive Auswirkungen auf die kognitiven Funktionen und macht somit "intelligenter". Es sind Einzelfälle, die unsere Wahrnehmung verzerren.


Nachhaltig schön und gesund

Das Training des eigenen Körpers ist nicht zu vergleichen mit oberflächlichen Methodiken zur Verschönerung des Körpers. Ästhetische Praktiken á la Botox, Hyaluron und Operationen verkörpern meist nur Oberflächlichkeit. Es weckt in uns Gegenreaktionen, weil wir negative Vorstellungen und Eigenschaften damit verknüpfen. Eine Person, die verzweifelt versucht dem Alterungsprozess durch Botox entgegenzuwirken, erscheint uns meistens als emotional unreif und zu Teilen verzweifelt. Durch diesen Mangel an Persönlichkeit empfinden wir ästhetische Eingriffe meistens als unästhetisch.

Anders dagegen beim Training des Körpers. Ob Schwimmen, Kraftsport oder Leichtathletik, der Körper wird hier durch intensive Reize und Anstrengung geformt. Das Training wirkt tiefgreifend, da für eine langfristige Veränderung eine Wirkung von innen nach außen stattfinden muss. Als Resultat einer jahrelangen intensiven Trainingspraxis entsteht der athletische Körper, der sich durch den eigenen Willen und den inneren Qualitäten des Menschen entwickelt hat.

Die physische Aktivität kann den Körper auf mehreren Wegen langfristig schöner machen. So kann zum einen die Durchblutung im Körper verbessert werden, was zu einer besseren Hautgesundheit führt. Zum anderen kann durch eine Stärkung der Rumpfmuskulatur die Körperhaltung verbessert werden. Gleichzeitig verhilft der Stressabbau durch Sport, zusätzliche Falten zu bilden. Das Training hält einen so, schön und gesund. Der schöne Körper ist kein oberflächliches Resultat, sondern ver-körpert auch die innere Entwicklung.

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Körper und Geist als ein Stil

Der Ausdruck der Verkörperung deutet darauf hin, dass in einer optischen Qualität zusätzliche geistige Qualitäten stecken. Ein trainierter Körper verkörpert beispielsweise Disziplin, Ehrgeiz, Fokus und eine gute Selbstkontrolle. Der römische Dichter Juvenal prägte den Ausdruck „mens sana in corpore sano“, der die Idee vermittelt, dass ein gesunder Geist in einem gesunden Körper wohnt. Diese Maxime unterstreicht die Bedeutung der körperlichen Erziehung für das geistige Wohlbefinden.

Der japanische Schriftsteller und Aktivist Yukio Mishima verarbeitet in seinem Werk „Sun and Steel“ sein Erleben im Hinblick auf die Disziplinierung seines Körpers. Als Schriftsteller weist Mishima eine besondere Sensibilität auf und empfindet physische Schmerzen und das Leiden des Trainings tief. Er lernt aber auch, die Prinzipien der körperlichen Erziehung auf seine Gedanken anzuwenden und sich nicht von Selbstzweifeln besiegen zu lassen. Als geistreicher Mensch erkennt Mishima im Training des Körpers auch die Möglichkeit, schädigende Vorstellungen in Form von Zweifeln oder Zerstreutheit zu lösen. Das Training bietet ihm eine Möglichkeit sich zu festigen und Stilsicherheit zu gewinnen:

„Irgendwo in mir begann ich, eine Verbindung von Kunst und Leben, von Stil und Handlungsethos zu planen. Wenn der Stil den Muskeln und den Verhaltensmustern ähnlich war, dann bestand seine Funktion offensichtlich darin, die eigensinnige Phantasie zu zügeln” [1a]

Körper und Geist sollen bei Mishima einen Stil darstellen: „Gegenwärtig habe ich aus meinem schriftstellerischen Stil etwas ähnlich Ansehnliches, wie aus meinen Muskeln gemacht: frei und flexibel” [1b]

Einen Einblick in seine Psychologie gibt uns folgende Aussage von ihm:

„Ich habe Stärke gelernt, ich habe gelernt zu leiden, zu kämpfen und mich selbst zu erobern; Ich habe gelernt, all das mit Würde und Freude anzunehmen. Ich begann über mein Potential als kämpfender Mann zu träumen” [1c]

Mishima wird auf seinem Weg der Selbsteroberung sehr weit gelangen, bis er schließlich am 25. November 1970 als einer der letzten offiziell bekannten Fälle – Selbstmord durch Seppuku (Selbsttötung durch Bauchaufschlitzen) begeht. Mishimas Akt ist nicht als Verzweiflungstat zu verstehen, sondern als symbolische Handlung der Selbstkontrolle, Selbstbezwingung und des Stolzes.

Für Mishima bedeutete Selbsteroberung die Verwirklichung seiner ästhetischen Ideale durch eine strenge Disziplin und Hingabe an die traditionellen Werte Japans. Mishima war es zudem wichtig, dass er an der Spitze seiner Leistungsfähigkeit, mit einem stark durchtrainierten Körper sein Ableben sucht. Er empfand es als herabwürdigend, degenerierend und verwesend aus dem Leben zu scheiden. Er lebte intensiv und gefährlich und wollte so auch sein Ende schreiben.

Ästhetik und Vitalität

Mishimas Wille aus seinem Leben ein Kunstwerk zu machen, belebte ihn und verhalf ihm, die notwendige Härte und Entbehrung aufzubringen, um für sich ein ästhetisch gerechtfertigtes Leben zu gestalten. Bereits im antiken Griechenland erkannte man die Verbindung zwischen Ästhetik und Vitalität. In einer Passage aus Platons Dialog „Gorgias“ spricht Sokrates über die Bedeutung von körperlicher Fitness und verbindet sie mit der Idee eines ästhetischen Lebens:

„Und was das Körperliche betrifft, so glaube ich, dass kein Mensch ein Recht hat, sich selbst als ein Amateur zu betrachten; sonst wird er in der Tat ein Amateur im Leben sein, weil er die höchste und schönste Aufgabe des Lebens vernachlässigt hat. Und was die Jugend betrifft, so ist eine Schande für einen Mann, nicht für seine Gesundheit zu sorgen oder seine Stärke zu entwickeln; denn eine schwache und kranke Natur ist nicht in der Lage, das Leben voll auszukosten“ [2]

Sokrates spricht hier nicht nur die Relevanz und Schönheit des trainierten Körpers an, sondern insbesondere auch das ästhetische Potential, das ein starker und gesunder Körper birgt. Ein trainierter und damit entwickelter und gesunder Körper ist im Stande dem Leben intensiver zu begegnen, wodurch der Sportler „das Leben voll auszukosten“ vermag. Der Sportler verkörpert eine höhere Scharfsinnigkeit, die sich in anmutigen Bewegungen, schnellen Reflexen und einer feinfühligen Wahrnehmung äußert. Der Trainierende positioniert sich aus einer gesunden und starken Haltung zum Leben heraus, wodurch er mit ruhendem Auge sich der Schönheit seines Lebens widmen darf. Hingegen muss der kranke Mensch mit seiner Gebrechlichkeit und Schwäche leben.

Training und Eleganz

Die körperliche Fitness hat in den letzten Jahren in vielen Bildungseinrichtungen auf der ganzen Welt an Bedeutung gewonnen. Trotzdem wird ihre Bedeutung oft unterschätzt und als weniger wichtig als die geisteswissenschaftliche oder naturwissenschaftliche Bildung angesehen. Auch der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche kritisiert die moderne Bildung und ihre mangelnde Fokussierung auf das körperliche:

„Lernten wir Etwas von dem, worin gerade die Alten [die antiken Griechen und Römer], ihre Jugend erzogen? Lernten wir sprechen wie sie, schreiben wie sie? Übten wir uns unablässig in der Fechtkunst des Gesprächs, in der Dialektik? Lernten wir uns schön und stolz bewegen wie sie, ringen, werfen, faustkämpfen wie sie? Lernten wir etwas von der praktischen Asketik aller griechischen Philosophen?“ [2]

Für Nietzsche sind die alten Römer und Griechen ästhetische Menschen, die die Prinzipien der körperlichen Erziehung auf geistige Aktivitäten, wie das Debattieren übertragen haben.

Dem Großteil der modernen westlichen Menschen fehlt es an jeglicher Eleganz und Anmut. Nicht nur die Bewegung, sondern auch das Reden und Schreiben verfallen durch Jargon, Slang und dem mangelnden Bedürfnis nach stilsicherem Ausdruck. Westliche Menschen sind zudem zu großen Teilen übergewichtig und verkörpern eine Maßlosigkeit im Konsum.

In Kombination mit einem Mangel an sportlicher Betätigung degeneriert der Mensch nicht nur physisch, sondern auch geistig. Der Bedarf an Ärzten, Therapeuten und Pflegepersonal steigt kontinuierlich. Sportliche Aktivitäten wirken nicht nur vitalisierend, sondern auch präventiv, indem sie das Entstehen von schweren Krankheiten und Gebrechlichkeiten generell unterbinden. Der Sportler weiß um die Entbehrung und verhält sich asketisch, indem er auf Genüsse verzichten kann, um zu größerer Vitalität zu gelangen.

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Körperliches Training als No-Brainer Investment

Die eigene körperliche Erziehung kann man im Grunde nicht ernst genug nehmen. Als biologische Lebewesen – und nicht nur rationale Menschen - bleiben wir in unserem Körper verhaftet. Wer die Funktionalität seines Körpers behalten will, kommt nicht herum ihn auch benutzen zu müssen. Getreu dem Prinzip „use it or lose it“ degeneriert dasjenige, was nicht gebraucht wird. Sofern wir unseren Körper nur zum Sitzen gebrauchen wollen, müssen wir mit Muskelschwund, Rückenproblemen und uneleganten Bewegungen rechnen.

Die sportliche Betätigung ist daher grundlegend eine der besten Investitionen, die ein Mensch machen kann. Mit nur ein paar Stunden in der Woche kann man sich eine gute Kondition, eine bessere Körperhaltung, mehr Stärke, Selbstbewusstsein und Disziplin aneignen. Als Resultat davon werden wir zunehmend sinnlicher und schöner. Wer keine Zeit hat sich dem körperlichen Training zu widmen, hat schlicht falsche Prioritäten in seinem Leben gesetzt und entbehrt einer großen Menge Glück und Vitalität im Alltag.

Quellenangaben

[1a] Yukio, Mishima; Sun and Steel, S. 41; Original-Zitat: “Somewhere within me, I was beginning to plan a union of art and life, of style and ethos of action. If style was similar to muscles and patterns of behavior, then its function was obviously to restrain the wayward imagination”


[1b] Yukio, Mishima; Sun and Steel, S. 42, Original-Zitat: “By now, I had made of my style something appropriate to my muscles: it had become flexible and free”


[1c] Yukio, Mishima; Sun and Steel, S. 52, Original-Zitat: ”I had learned strength, i had learned suffering, battle, and self-conquest; I had learned the courage to accept them all with joy. I was beginning to dream of my capabilities as a fighting man”


[2] Platon, Gorgias: 508b-c


[3] Nietzsche, Friedrich: Morgenröte § 195


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